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Der fünfte Beatle: George Martin

Ein Platten-Produzent hat den Musiker in der Hand.
Er hat die Regler des Mischpults unter seiner Gewalt und seine Arbeit ist ganz entscheidend für eine Aufnahme. Er hat das Gehör dafür wie eine Aufnahme klingen muss, denn junge Musiker haben oftmals keine Ahnung darüber wie eine gelungene Aufnahme funktioniert. Einer der herausragenden Produzenten war  Sir George Martin (1926-2016), der britische Gentleman, der beschlipste Perfektionist, der als fünfter Beatle  Weltruhm erlangte und den Typus des Platten-Produzenten in eine neue Richtung lenkte. In seinen 1979 geschriebenen und 2013 in deutsch erschienenen Memoiren gibt er Einblick in eine Welt, die den normal-sterblichen oft versagt bleibt: das Tonstudio. 1950 begann der 2016 im Alter von 90 Jahren verstorbene Martin seine Karriere bei dem Label Parlophone, einer Unterabteilung der berüchtigten EMI. Parlophone war ansässig in den Abbey Road Studios in London. Wenn man liest wie Martin begann hat man den Eindruck tief in eine vergessene, alte Zeit zu schauen. Ein Mischpult mit maximal zwei Reglern war der stolze Besitz der Plattenfirma, Stereo gab es noch nicht und die Aufnahmen wurden mit nur einem Mikrofon vollzogen, vor dem die Musiker live und in einem Rutsch ihre Musik einspielten und sangen.
Als 1962 die jungen Beatles das Studio betraten und auf George Martin trafen soll es sich zwischen den rauen Rockern und dem Produzenden-Gentleman um „Liebe auf den ersten Blick“ gehandelt haben. Martin war für die damalige Zeit ein ungewöhnlich aufgeschlossener und neugieriger Produzent, der mit alten Regeln brechen und experimentieren wollte. Aufzubegehren war nicht sein Ziel, sondern es ging ihm stets nur um die gelungene Aufnahme. Mit der Zeit lernte George Martin die immer fantastischeren Ideen der vier Beatles in Töne umzusetzen. Dabei half ihm seine klassische Musik-Ausbildung, die John, Paul, George und Ringo nicht hatten. Mit dem inzwischen auf 4 Spuren und Stereo angewachsenen Mischpult und dem Einsatz von zwei oder mehr Mikrofonen entwickelte Martin eine nahezu geniale Gabe Geräusche zu produzieren, die nie zuvor auf Aufnahmen zu hören waren. Hört man sich heute das Beatles-Meisterwerk „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ an, käme man nie auf die Idee, dass hier nur vier Tonspuren am Werk waren. Der Trick: Man nehme verschiedene Tonspuren auf und mischt sie alle zusammen auf die erste Tonspur, so hat man wieder drei Spuren frei für weitere Aufnahmen. George Martin zerschnippelte Bänder und fügte sie wahllos wieder zusammen um Effekte zu generieren. Er spielte Aufnahmen rückwärts ab oder zwang ein 40 Mann Orchester jedes einzelne Instrument vom tiefsten bis zum höchsten Ton zu spielen um einen Effekt-Höhepunkt zu erreichen. Alles zu hören auf „Sgt. Pepper“. Und wenn die musikalische Leistung der Beatles nicht ausreichte schrieb er neue Arrangements oder haute selbst in die Tasten. Es gibt viele bekannte Aufnahmen der Beatles auf denen Martins Klavierspiel zu hören ist.
Im Laufe der Jahrzehnte wurde Sir George Martin zum Superstar und ließ außer den Beatles auch andere Stars glänzen wie Gerry and the Pacemakers (You’ll Never Walk Alone), Shirley Bassey (Goldfinger), Film- und Titelmusik (James Bond: Live And Let Die) und schließlich seine größte Entdeckung: ein gewisser Elton John mit dem er unter anderem 1997 die erfolgreichste Single aller Zeiten aufnahm. (die Lady Diana-Version von „Candle In The Wind“).
Sein Buch „Es begann in der Abbey Road“ ist nicht nur für Musik- und Beatles-Fans interessant sondern auch für technisch Begeisterte. Was ist Schall? Was passiert mit einem Ton in einem Mikrofon? Was IST überhaupt ein Mikrofon und wie funktioniert es? Man begibt sich auf eine Zeitreise in die vorsintflutlichen Aufnahme-Techniken und bekommt einen Einblick in die technische Entwicklung bis heute. Angereichert sind Martins Erinnerungen mit zahlreichen Anekdoten über Peter Sellers, Peter Ustinov bis hin zu Sophia Loren und die Beatles…denn alle produzierten Schallwellen für George Martin, der sie dankbar auffing und zusammenfügte.