Geschenk

Mein Kopf taucht ein
in deinen warmen Schoß.
Mit unendlicher Sanftheit
werde ich von dir beschützt.
Umrandet von deinen Armen
lasse ich mich fallen
und nehme das Geschenk
deiner Liebe berührt an.

Den morgendlichen Tau
fängst du für mich ein,
das abendliche Rot
bereitest du mir stets.
Jede Tür hälst du auf,
jedes Schloss öffnest du.
Nie willst du dergleichen
als Gegenleistung von mir.

Der Eintritt in dein Leben
veränderte Meines für immer.
Ich tat den Schritt nichtsahnend,
wurde gefesselt und erobert
von deiner angenehmen Nähe.
Wir erklimmen rauhe Felsen
und treiben durch den Sand,
verbunden, verwoben, verrückt.

Wenn die Wolken ziehen
trage ich dich mit mir.
Wir gehen den kurvigen Weg
mit deiner Schulter als Halt
und deiner Hand im festen Griff.
Wir betreten ganz neue Pfade
und bevor der Tag dunkel endet
finden wir den Ort für die Nacht.

Cabarét Grüner Kaktus

Politisches und sozialkritisches Kabarett ist für Jugendliche oft so unterhaltsam wie eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. Das war in den 80er Jahren genauso wie heute. Dennoch kam 1989 eine Gruppe Jugendlicher zusammen um genau ein solches Kabarett zu gründen. Es war ein wichtiges Jahr in Deutschland: die Mauer fiel und das geteilte Land schickte sich an wieder zusammen zu kommen. Es gab viele Themen die es wert waren kritisch und auf humorvolle Weise bearbeitet und angesprochen zu werden. Die Gruppe nannte sich „Cabarét Grüner Kaktus“ und begann auf junge Art Bühnenprogramme zu erarbeiten. Das Besondere daran war, dass alle Stücke selbstgeschrieben wurden. Es wurde nichts nachgespielt oder neu adaptiert. Man holte sich Inspirationen von anderen Humoristen und verarbeitete sie in eigener Manier. Das Wort „Comedy“ oder „Comedians“ war noch nicht sehr geläufig, doch war es gerade das, was die Gruppe produzierte und ausmachte. Das erste Ziel war es lustig zu sein, saukomisch, „Schenkelklopfer“ zu erschaffen. Der gefürchtete „erhobene Zeigefinger“ kam nur schleichend und leise daher und wurde daher oft nahezu unbemerkt vom Zuschauer aufgenommen.
Wenn ein Kriegsflüchtling aus Bosnien vom deutschen Amtsschimmel hart behandelt wurde lachten die Leute und fragten sich erst danach, ob der Beamte nicht doch etwas zu ungerecht sei.
Wenn auf „loriotische“ Weise ein Ortsverein der FDP eine Sitzung abhielt um sich in WLNU (Wir lassen nichts unversucht) umzubenennen klatschten die Zuschauer über die nahezu bizarren Figuren dieser kurzen Geschichte. Der Kern der Aussage des Sketches sickerte durch und war damals so aktuell wie heute.
Herausragend auch die Angestellte eines Reisebüros, die einer Kundin eine Rundreise durch Deutschland anpries, zu den wichtigen Stätten des neonazistischen Terrors der frühen 90er Jahre mit Rostock, Mölln und Hoyerswerda. Die Reiseroute nachgezeichnet auf einer Landkarte Deutschlands ergab ein Hakenkreuz. Eine Stecknadel konnte man bei den Aufführungen fallen hören mit anschließendem, anerkennenden Applaus und die Freude, dass der nächste Sketch wieder die leichten Seiten des Lebens behandelte. Harte, beißende Satire war für den “Grünen Kaktus” ebenso wichtig wie die brüllende Comedy. Die Mischung kam an. Waschechte Fans kamen mehrmals zu den Auftritten und konnten Texte teilweise mitsprechen, wie bei Herrn Becker, der die Vorzüge seines Haustiers, einem Waschbär, in sehr eindrücklicher Art vortrug.
Der Erfolg dieser jungen Truppe war für Gießener Verhältnisse enorm. Nahezu jede Vorstellung war ausverkauft und der “Grüne Kaktus” gastierte auf allen Gießener Kleinkunstbühnen: das ehemalige Ziegelschiff im Hardthof, das Theater im Löbershof „TIL“, im Jokus und so ziemlich alle Bürgerhäuser im Umkreis. Es gelang sogar der Schritt nach Hamburg und München, wo die Gruppe große Erfolge bei Kirchentagen feierte, bis hin im Ausland als Kulturdelegation der Stadt Gießen in der Partnerstadt Kerkrade in den Niederlanden. Der unvergessene Höhepunkt war wohl der Auftritt beim Hessentag in Lich. Auf Einladung des Hessischen Innenministeriums gastierte der „Grüne Kaktus“ als Höhepunkt des Abends im total überfüllten Festzelt. Zeltwände mussten ausgehängt werden, dass man auch von draußen noch zuschauen konnte. Das Publikum war außer Rand und Band und auch die Tagespresse widmete oft viel Platz in ihren Ausgaben.
Nach acht erfolgreichen Jahren war es 1997 schließlich  vorbei. Aus den Jugendlichen wurden Erwachsene und zerstreuten sich berufsbedingt im ganzen Land. Ein mal im Jahr treffen sie sich noch, bis heute, jeweils am 22. Dezember zum Gründungsjubiläum… und sie lachen noch immer.


(v.l.: Klaas Pekala (geb. Vogel), Felix Orth, Katja Heigele (geb. Heikenwälder), Christina Küper-Ehler, Claudia Ludwig (geb. Heikenwälder), Sascha A. Wanke)
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Der berühmte Herr Becker mit seinem Waschbär. Er ließ den Saal toben obwohl er nur die Geschichte von sich und seiner Nachbarin, der bösen Frau Hausmann, erzählte.
Hier zum Anhören

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Ein kurzer Trailer des “Cabarét Grüner Kaktus”

Der kleine Weltkrieg in Syrien

Der Begriff „Weltkrieg“ jagt uns Angst ein. Die Geschichte des 20 Jahrhunderts hat uns gelehrt, dass Weltkriege immenses Leid und große Veränderungen in den geopolitischen Machtverhältnissen mit sich bringen. Mit dem Blick auf den Konflikt in und um Syrien würde keiner von einem Weltkrieg sprechen. Vielleicht sind wir aber bereits an genau diesem Punkt angelangt. In der Begriffserklärung des Wortes „Weltkrieg“ ist der Duden eindeutig: „Krieg, an dem viele Länder der Welt, besonders die Großmächte beteiligt sind“. Es heißt also nicht, dass Deutschland im Mittelpunkt stehen muss oder die westliche Allianz bestimmt, wann ein Krieg als Weltkrieg bezeichnet werden kann. Wenn wir uns den Syrienkonflikt anschauen, müssen wir erkennen, dass nach Definition des Duden die Voraussetzungen für einen Weltkrieg gegeben sind. Je nach Sichtweise sind 15-20 oder mehr Staaten an dem Krieg in Syrien direkt oder indirekt beteiligt, mit einbezogen die sog. Großmächte. Dazu kommt, dass sich die Großmächte USA und Russland in diesem Krieg mit teils gleichen und auch unterschiedlichen Interessen gegenüberstehen. Eine militärische Konfrontation ist daher nicht auszuschließen.
Was passiert in Syrien und warum ist es ein „kleiner Weltkrieg“?
Die Anfänge des Krieges in Syrien kann man mit einer Revolution vergleichen. Inländische Rebellen kämpften gegen das staatliche Militär um den Machthaber Assad zu stürzen. Der Konflikt wurde durch das Eingreifen des Islamischen Staats verschärft. Diese barbarische Terrorgruppe schaffte es in den staatlich geschwächten Ländern Syrien und Irak Gebiete zu erobern um einen eigenen Staat, ein Kalifat auszurufen. Die Brutalität des IS war beispiellos und überzog zusätzlich westliche Staaten mit Terroranschlägen durch ideologisch rekrutierte Personen, die zum Großteil in den betroffenen Ländern lebten. Der Syrische Präsident Assad hatte es plötzlich mit mehreren Gegnern in seinem eigenen Land zu tun. Nicht nur die Rebellen gegen ihn splitteten sich in verschiedene Gruppen, auch der IS machte eine ganz eigene Front gegen alles und jeden auf, die nicht ihren ideologisch und religiös verblendeten Vorstellungen entsprachen. Dazu kämpfte auch Assad auf sehr brutale Weise mit hohen zivilen Opferzahlen und Giftgas-Einsätzen.
Aufgeschreckt durch die Terroranschläge in den eigenen Ländern und den grausamen Giftgas-Einsätzen in Syrien machte der „Westen“ mobil. Die USA bildete eine Allianz gegen den Islamischen Staat und griff militärisch ein. Auch Assad wurde zum Gegner und es war das ursprüngliche Ziel, Assad durch eine andere Regierungsform in Syrien zu ersetzen.
Assad ist Russlands wichtigster Verbündeter in der Region. Ein sog. „Regime Change“ kommt für Russland nicht in Frage. Präsident Putin machte Russland somit zum größten militärischen Helfer Assads. Auch der Iran war mit von der Partie als natürlicher Verbündeter Syriens.
Der Allianz der USA traten zahlreiche Staaten bei um den IS zu bekämpfen und um die Flüchtlingsströme aus Syrien einzudämmen.
Die Schilderung der Ereignisse ist stark verkürzt und vereinfacht und soll nur die Grundlage bilden für die Behauptung, dass es sich in Syrien zumindest um einen kleinen Weltkrieg handelt.
Hier eine nicht vollständige Liste der involvierten Staaten:

USA – Die USA griffen erst ein als der IS sich verbreitete. Auch ein „Regime Change“ in Syrien war die ursprüngliche Idee. Durch grausame Giftgaseinsätze aufgeschreckt, flogen die USA mit ihren Verbündeten Angriffe auf Syrien. Inzwischen überlegen die USA ihre Truppen aus und um Syrien abzuziehen.

Russland – Assad ist schon lange wichtigster Verbündeter Russlands in der Region. Zusätzlich kämpft Russland auch gegen den IS und stimmt sich dabei mit den USA ab. Vorrangiges Ziel Russlands ist es jedoch Assad im Amt zu halten. Die Luftangriffe auf Syrische Stellungen durch die USA und deren Verbündete lehnt Russland ab.

Iran – Syrien ist der wichtigste Verbündete des Iran und unterstützt daher, in Zusammenarbeit mit Russland, Assad

Türkei – ist für den Sturz von Assad und stellt Flughäfen für die USA zur Verfügung. Außerdem nimmt die Türkei eine Sonderrolle im Syrienkonflikt ein. In einem scheinbar vollkommen isolierten Konflikt bekämpft die Türkei grenznahe, kurdische Gebiete um, nach ihren Aussagen, den kurdischen Terrorismus zu bekämpfen. Zusätzlich beteiligt sich die Türkei am Kampf gegen den IS. Durch Die Flüchtlingsströme aus Syrien ist die Türkei mit am Stärksten betroffen und nimmt noch immer eine große Zahl an Flüchtlingen auf.

Saudi Arabien – trat der Allianz der USA bei und fliegt Angriffe gegen den IS in Syrien. Außerdem ist Saudi Arabien für den Sturz von Assad.

Katar – ist ebenfalls in der Allianz und unterhält den wichtigsten Stützpunkt der Koalition gegen den IS auf seinem Gebiet. Dazu unterstützt das Land islamische Rebellen in Syrien mit militärischen Ausbildern und Waffen.

Großbritannien – ist für den Sturz von Assad und gleichzeitig von IS-Terrorismus betroffen und flog Angriffe auf Syriens Giftgasfabrikationen

Frankreich – ist ebenfalls stark von islamistischem Terror betroffen und flog Angriffe unter anderem auf Stellungen des IS in Syrien. Frankreich sieht Assad sehr kritisch und fordert dessen Sturz. Bei den Luftangriffen auf Syrische Giftgaseinrichtungen war Frankreich maßgeblich beteiligt.

Jordanien – nahm Unmengen von syrischen Flüchtlingen auf und trat der Koalition der Amerikaner bei.

Libanon – ist indirekt an dem Krieg beteiligt durch das Eingreifen der Hisbollah

Bahrein, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate – sind der Allianz beigetreten um den Einfluss Irans in Syrien zu begrenzen. Allerdings bleibt der Iran einer ihrer wichtigsten Handelspartner.

EU – trat der Koalition der Amerikaner gegen den IS bei. Das starke Interesse liegt unter anderem an der Eindämmung der sog. Flüchtlingskrise. Nicht alle EU-Staaten nehmen an militärischen Aktionen teil aber wichtige europäische Vertreter der Allianz sind neben Großbritannien und Frankreich auch Italien, Polen, Dänemark und Deutschland.

China – ist ebenfalls im Spiel, da sie Russland im Weltsicherheitsrat gegen die USA unterstützen und somit wichtige Resolutionen verhindert.

50 Jahre “Summer Of Love”

Wenn wir in die Rockgeschichte zurückblicken, müssen die Jahre 1942 und 1967 zusammen genannt werden. 1942 wurden viele spätere Musiker geboren, die auch als einige der Protagonisten des „Sommers der Liebe“ von 1967 in die Geschichte eingingen. Es war die Zeit als Songs noch Einfluss hatten auf politische Entwicklungen, auf Veränderungen in der Gesellschaft. Sie waren Aufschrei einer ganzen Generation, der Weckruf zu einer neuen, friedlicheren Welt. Wir erinnern uns: 1967/68 kam es weltweit zu Umbrüchen in der jungen Generation, ein Aufbegehren gegen verkrustete Strukturen, gegen Willkür und Gewalt. In Vietnam tobte ein erbitterter, ungerechter und widerwärtiger Krieg. Weltweite Friedensdemonstrationen läuteten die Geburt der Friedensbewegung ein. In Berlin gingen junge Menschen gegen den Schah von Persien auf die Straße und endete am 2. Juni in einer Katastrophe als ein Polizist den friedlich demonstrierenden Student Benno Ohnesorg erschoss. In San Francisco fanden sich die Blumenkinder zusammen und starteten eine Bewegung die bis heute als eine der Wichtigsten des 20. Jahrhunderts gilt: Die Hippie-Bewegung.
Die Hippies machten aus dem Jahre 1967 „the Summer of Love“. Die Musiker lieferten den Soundtrack dazu, der auch noch heute in den Radio-Stationen läuft, der zum Kulturgut wurde, der eine Zeit repräsentiert, die bis in unsere Tage seine Auswirkungen hat.
2017 wurden wichtige Vertreter des „Summer of Love“ 70 Jahre alt. Was verbindet diese Musiker? Welche Rolle spielten sie?
Wenn man es genau betrachtet muss man feststellen, dass die inzwischen hochbetagten Jubilare fast alle unfreiwillig und zufällig zu den Helden des Sommers der Liebe wurden. Sie wurden selbst überrannt von einer Entwicklung, die zwar nicht plötzlich, aber scheinbar unbemerkt kam. Viele der Musiker sprangen auf den Zug auf um nicht als Außenstehende zu gelten. Es muss aber gesagt werden, dass die gesamte Entwicklung des Jahres 1967 ohne die Musik, ohne die inzwischen über 75jährigen nicht denkbar wäre.
Brian Jones, 1969 verstorben und Mitbegründer der noch heute existierenden Band „The Rolling Stones“, hat uns wohl eines der bedeutensten Zitate des Jahres 1967 hinterlassen. Einer der großen Hits des Jahres kam von den „Rolling Stones“ und löste einen Skandal aus. Der Song „Let’s Spend The Night Together“ wurde (selbst in Deutschland) kaum, und wenn dann sehr spät am Abend, wegen seiner sexuellen Anspielungen nicht im Radio gespielt. Dabei brachte es doch einen der Hauptpunkte der Hippies zur Sprache: die freie Liebe, die Abkehr von moralischen Zwängen.
Brian Jones sagte 1967:
„Unsere wahren Anhänger sind uns gefolgt – zu denen, die wir am meisten mögen, gehören die New Yorker Hippies, aber fast alle denken wie wir und stellen einige der elementaren Ungerechtigkeiten, die in der heutigen Gesellschaft geduldet werden, in Frage: den Vietnamkrieg, die Verfolgung von Homosexuellen, das Abtreibungsverbot, die Drogenpolitik. All das ist unmoralisch. Wir geben unsere eigene Meinung dazu ab – bei anderen klingt es vielleicht intellektueller. Unsere Freunde stellen den Sinn einer fast blinden Akzeptanz von Religion in Frage, wenn  andererseits beispielsweise Berichte über nichtidentifizierte Flugobjekte, die mir immer noch realistisch erscheinen, völlig abgetan werden. Umgekehrt unterschätze ich ja auch nicht die Macht und den Einfluss derer, die im Gegensatz zu mir an Gott glauben. Wir glauben, dass es keine Evolution  ohne Revolution geben kann.  Mir ist klar, dass es noch mehr Ungerechtigkeiten gibt – das Verhältnis von Wohlstand und dem Lohn für geleistete Arbeit stimmt überhaupt nicht. Ich weiß, ich verdiene zu viel, aber ich bin noch jung und irgendeine boshafte Seite in mir lässt mich an dem festhalten, was ich habe. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns in Bezug auf Ideen und Ereignisse auf eine neue Ära zubewegen. Vom astrologischen Standpunkt her befinden wir uns am Ende des sogenannten Fische-Zeitalters, an dessen Beginn Menschen wie Christus geboren wurden. Wir stehen kurz vor Ausbruch der Ära des Wassermanns, in der ebenso bedeutende Ereignisse wie am Anfang der Fische-Zeit zu erwarten sind. Eine Revolution der Verjüngung von Denken und Verhalten steht unmittelbar bevor.“

Paul McCartney fragte sich 1967 noch, was wohl passiert, wenn er erst 64 Jahre alt wird. Auf dem Album „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ sinnierte McCartney in dem Song „When I’m Sixty-Four“, dass man wohl im Alter von 64 Jahren nicht mehr gebraucht und gefüttert wird. Inhaltslose Alltäglichkeiten waren bezeichnend für McCartney-Songs aus dem Jahre 1967 (z.B: Hello Goodbye). Selbst sein vielbeachtetes „Penny Lane“ (Ein Hit des Jahres ’67) war nur gespickt von Kindheitserinnerungen, führte jedoch am Geist der Zeit vollkommen vorbei. Man könnte daher vermuten Paul McCartney interessierte sich nicht für die Hippie-Bewegung. Doch sein Schritt zurück hatte das Ziel seinen „Beatles“-Kumpel John Lennon in das Rampenlicht treten zu lassen. Dieser hatte in der Tat etwas zu sagen. Mit „All You Need Is Love“ erschuf er einer der Hymnen dieser Zeit. Dieser Song kommt uns unweigerlich ins Gedächtnis, wenn wir uns an 1967 erinnern. Zusammen mit den Songs „San Francisco“ von Scott McKenzie und natürlich „California Dreaming“ von „The Mamas and Papas“. Paul McCartney fühlte sich zugehörig ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Bei den Filmaufnahmen zu „All You Need Is Love“ hatte er Blumen im Haar. Das reichte für ihn.

Lou Reed machte seinen wilden Weg auch bereits 1967. Mit der Sängerin Nico und seiner Band „The Velvet Underground“ machte er mit dem Thema Drogen auf sich aufmerksam. „Heroin“, eine bis ins Mark erschütternde Nummer auf dem Debüt-Album von 1967, dessen Bananen-Cover von Andy Warhol erarbeitet wurde, faszinierte und beeinflusste nicht nur die Fans. Es war die Zeit des Universitätsprofessors und Drogen-Papstes Timothy Leary, der LSD predigte und damit Repressalien durch Staat, Justiz und Arbeitgeber auf sich zog. Es schien als arbeiteten sie alle Hand in Hand: Leary, Reed, Jones, Lennon und die ganze Pop-Kultur dieser Tage. Die „Byrds“ waren „8 Miles High“, die „Doors“ „Couldn’t get much higher“ in „Light My Fire“ und Lou Reed sang sein eindringliches „Heroin“.

Auch Jimi Hendrix, der inzwischen ebenfalls über 75 Jahre alt  wäre, feierte 1967 seine ersten Erfolge. „Purple Haze“ oder „Foxy Lady“ sind nur zwei seiner Hits dieses Sommers der Liebe. Hendrix stellte sich auf der Bühne zur Schau wie ein stets bereiter Mann, der jederzeit und mit jedem Sex haben könnte. Die sexuelle Revolution machte auch bei seinen Shows keinen Halt. Er nutzte seine Gitarre oft wie eine Penisverlängerung, setzte sich auf sie oder machte mit ihr eindeutige Bewegungen. Wenn es ein Schrei nach sexueller Befreiung bedurfte: Jimi Hendrix und Jim Morrison brüllten ihn. Er hallt nach. Bis heute.

Was bleibt von den damaligen Stars? Sie sind erfolgreich geblieben…wenn sie nicht gestorben sind. Paul McCartney schafft den musikalischen Spagat zwischen hartem Rock, Blues und herzzerreißenden Schmachtfetzen bis heute. Lou Reed nahm 2011 ein Album mit „Metallica“ auf und die von Brian Jones gegründeten „Rolling Stones“ sind ein Wanderzirkus, der selbst nach über sagenhaften 50 Jahren Massen anzieht.
Wir möchten uns nicht vorstellen ob in 50 Jahren eine gealterte Lady Gaga noch auf die Bühne steigt. Bei den Stars aus dem „Sommer der Liebe“ wird es erwartet und gefeiert.

Hier eine (nicht vollständige) Liste der 1942 geborenen Musiker, deren Namen noch immer glänzende Augen hervorrufen:
Graham Nash
Carole King
Brian Jones
Lou Reed
John Cale
Aretha Franklin
Richard O’Brien
Roger Chapman
Barbra Streisand
Jim Keltner
Ian Dury
Curtis Mayfield
Paul McCartney
Brian Wilson
Roger McGuinn
Desmond Dekker
Jerry Garcia
Isaac Hayes
Jimi Hendrix
Dave Clark
Andy Summers

Der fünfte Beatle: George Martin

Ein Platten-Produzent hat den Musiker in der Hand.
Er hat die Regler des Mischpults unter seiner Gewalt und seine Arbeit ist ganz entscheidend für eine Aufnahme. Er hat das Gehör dafür wie eine Aufnahme klingen muss, denn junge Musiker haben oftmals keine Ahnung darüber wie eine gelungene Aufnahme funktioniert. Einer der herausragenden Produzenten war  Sir George Martin (1926-2016), der britische Gentleman, der beschlipste Perfektionist, der als fünfter Beatle  Weltruhm erlangte und den Typus des Platten-Produzenten in eine neue Richtung lenkte. In seinen 1979 geschriebenen und 2013 in deutsch erschienenen Memoiren gibt er Einblick in eine Welt, die den normal-sterblichen oft versagt bleibt: das Tonstudio. 1950 begann der 2016 im Alter von 90 Jahren verstorbene Martin seine Karriere bei dem Label Parlophone, einer Unterabteilung der berüchtigten EMI. Parlophone war ansässig in den Abbey Road Studios in London. Wenn man liest wie Martin begann hat man den Eindruck tief in eine vergessene, alte Zeit zu schauen. Ein Mischpult mit maximal zwei Reglern war der stolze Besitz der Plattenfirma, Stereo gab es noch nicht und die Aufnahmen wurden mit nur einem Mikrofon vollzogen, vor dem die Musiker live und in einem Rutsch ihre Musik einspielten und sangen.
Als 1962 die jungen Beatles das Studio betraten und auf George Martin trafen soll es sich zwischen den rauen Rockern und dem Produzenden-Gentleman um „Liebe auf den ersten Blick“ gehandelt haben. Martin war für die damalige Zeit ein ungewöhnlich aufgeschlossener und neugieriger Produzent, der mit alten Regeln brechen und experimentieren wollte. Aufzubegehren war nicht sein Ziel, sondern es ging ihm stets nur um die gelungene Aufnahme. Mit der Zeit lernte George Martin die immer fantastischeren Ideen der vier Beatles in Töne umzusetzen. Dabei half ihm seine klassische Musik-Ausbildung, die John, Paul, George und Ringo nicht hatten. Mit dem inzwischen auf 4 Spuren und Stereo angewachsenen Mischpult und dem Einsatz von zwei oder mehr Mikrofonen entwickelte Martin eine nahezu geniale Gabe Geräusche zu produzieren, die nie zuvor auf Aufnahmen zu hören waren. Hört man sich heute das Beatles-Meisterwerk „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ an, käme man nie auf die Idee, dass hier nur vier Tonspuren am Werk waren. Der Trick: Man nehme verschiedene Tonspuren auf und mischt sie alle zusammen auf die erste Tonspur, so hat man wieder drei Spuren frei für weitere Aufnahmen. George Martin zerschnippelte Bänder und fügte sie wahllos wieder zusammen um Effekte zu generieren. Er spielte Aufnahmen rückwärts ab oder zwang ein 40 Mann Orchester jedes einzelne Instrument vom tiefsten bis zum höchsten Ton zu spielen um einen Effekt-Höhepunkt zu erreichen. Alles zu hören auf „Sgt. Pepper“. Und wenn die musikalische Leistung der Beatles nicht ausreichte schrieb er neue Arrangements oder haute selbst in die Tasten. Es gibt viele bekannte Aufnahmen der Beatles auf denen Martins Klavierspiel zu hören ist.
Im Laufe der Jahrzehnte wurde Sir George Martin zum Superstar und ließ außer den Beatles auch andere Stars glänzen wie Gerry and the Pacemakers (You’ll Never Walk Alone), Shirley Bassey (Goldfinger), Film- und Titelmusik (James Bond: Live And Let Die) und schließlich seine größte Entdeckung: ein gewisser Elton John mit dem er unter anderem 1997 die erfolgreichste Single aller Zeiten aufnahm. (die Lady Diana-Version von „Candle In The Wind“).
Sein Buch „Es begann in der Abbey Road“ ist nicht nur für Musik- und Beatles-Fans interessant sondern auch für technisch Begeisterte. Was ist Schall? Was passiert mit einem Ton in einem Mikrofon? Was IST überhaupt ein Mikrofon und wie funktioniert es? Man begibt sich auf eine Zeitreise in die vorsintflutlichen Aufnahme-Techniken und bekommt einen Einblick in die technische Entwicklung bis heute. Angereichert sind Martins Erinnerungen mit zahlreichen Anekdoten über Peter Sellers, Peter Ustinov bis hin zu Sophia Loren und die Beatles…denn alle produzierten Schallwellen für George Martin, der sie dankbar auffing und zusammenfügte.